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Von Reto Vacchelli, ehmaliger Leistungszombie

Wer nicht mitspielt, wird vom Spielfeld geschickt

Oft versuchen Burnout-Betroffene unerkannt zu bleiben. Auch wenn sie längst zwischen Aufputschmitteln und Beruhigungspillen hin und her pendeln, simulieren sie am Arbeitsplatz Normalität – und verwischen gekonnt die Spuren des zunehmenden Kräfteverlusts. Denn wer sein Burnout outet oder von seinem Burnout geoutet wird, der ist auch wirklich «out».

Hartnäckige Schlafstörungen bestimmen meine Nächte, und damit verbunden tauchen Ängste auf, die Aufgaben des nächsten Tages aus Müdigkeit nicht mehr zu bewältigen. Ein Teufelskreis. Nach unruhigen Nächten bin ich morgens gerädert und brauche oft Stunden, um mich aufzuraffen. Die vielen Einflüsse von aussen, die nicht adäquat verarbeitet werden, führen zu innerer Gereiztheit und zu unangebrachtem Verhalten gegenüber dem Umfeld. Das führt zu Konflikten, man muss sich oftmals entschuldigen. Weitere Anzeichen einer Erschöpfungsdepression sind Magenbeschwerden, Allergien und Gelenkschmerzen. Hinzu kommen Energieverlust und die anhaltende Müdigkeit.

Ich fühle mich ausgelaugt. Nach einem weiteren gesundheitlichen Rückschlag sage ich mir, jetzt ist Schluss! Aber ich verdränge das Bedürfnis nach Ruhe zugunsten der jeweiligen Anforderungen. Das Gefühl, ständig weitermachen zu müssen, lässt mich zu Aufputschmitteln und kleinen Glücklichmachern greifen. Doch eine erschöpfte Psyche lässt sich nicht so einfach kurieren. Die Symptome kommen schnell zurück, man spürt die innere Unruhe, die sich im Leben als zunehmende Ängstlichkeit manifestiert. Was tun, wenn es einfach nicht mehr geht? Ich komme mir bereits vor wie ein Warmduscher, ein Arbeitsscheuer, ein Psycho. Zu diesem Zeitpunkt meiner beruflichen Selbstständigkeit hatte ich den Wunsch, mir schillernde Pfauenfedern anzustecken, bereits aufgegeben.

Mit diesem Artikel möchte ich zum Widerstand aufrufen. Gegen die eigenen krankmachenden, falschen Überzeugungen in uns, die uns vorgaukeln, sie repräsentieren die «einzig mögliche Wahrheit unseres Seins». Keine Sorge – hier sollen weder Blumenkränze ins wallende Haar geflochten werden, noch schwebt mir ein klösterliches Leben vor. Vielmehr möchte ich meine Geschichte erzählen und Erfahrungen weitergeben.

Das Weltbild des Hamsterrads

Nicht die Arbeitswelt treibt die narzisstisch Traumatisierten und besonders Sensiblen ins Burnout. Es sind vielmehr die falschen gesellschaftlichen Ideale. Viele Burnout-Kandidaten haben eines gemeinsam: Sie zeigen anfänglich grosses Engagement und Begeisterungsfähigkeit. Der Wunsch nach Anerkennung ist jedoch eine fatale, wenn auch zumeist unbewusste Entscheidung. Das in uns schlummernde Rudelwesen flüstert: «Wenn das alle sagen oder tun, dann muss es richtig sein und dann will ich unbedingt dazugehören.» Somit ist nicht die «böse Arbeitswelt» schuld. Bei der Arbeit zeigt sich lediglich der persönliche Entfremdungskonflikt des Betroffenen. Es ist der Ort, wo der Balanceverlust am ehesten sichtbar wird.

Schnell ein bisschen Ferien und zwischendurch ins Spa? Leider ist es nicht so einfach.

Wer auf Knopfdruck abschalten soll, findet sich schnell im Hamsterrad wieder. Andererseits ist es kaum möglich, sich der Beschleunigungsspirale völlig zu entziehen, und das ist gut so. Denn Ruhe, Entspannung und Ausgliederung aus der Arbeitswelt sind der falsche Weg. Ausgebrannte leben in einem Schema mit genau abgezirkelten Abläufen. In Wirklichkeit zementieren wir damit ihren Opferstatus und schieben ihnen ein Servicepaket rüber. Man liegt ärztlich verordnet irgendwo ein einer Rehabilitationsklinik im abgestandenen Wasser einer Therme herum, durchlebt ein straff geführtes Programm von Einzel- und Gruppentherapie, Qi Gong, Nordic Walking, Wirbelsäulengymnastik und Physiotherapie – allesamt viel zu anstrengend.

Wenn wir das leben können, was wir sind

Es geht nicht darum, möglichst viel Last abzunehmen, sondern eher um die Frage, was macht das Leben mit uns? Wir müssen das, was Leben ausmacht, das Dynamische, Unvorhergesehene, Herausfordernde, wieder zulassen. Und wir sollten wieder lernen, jene Augenblicke zu geniessen, in denen wir uns verlieren und unseren Alltag vergessen. Wo werden wir wieder einmal irritiert, verführt? Glück ist, was unsere Seele durchrüttelt. Durch die Nächte schwärmen, Gefühle zulassen, leidenschaftlich lieben. Und obwohl man noch immer derselbe ist, so meint man, bis aufs innerste Knochenmark verändert zu sein.

Alles, was um mich herum geschieht, wirkt auf mich zurück. Man könnte auch einfach sagen: Wenn ich achtsam bin, ist mein Leben schöner. Ein gut funktionierendes Beziehungsnetzwerk hilft, mich zugehörig zu fühlen und den Stresspegel zu senken. Das bedeutet aber für mich persönlich auch, dass ich Menschen meide, die meine Energie rauben. Das macht sie nicht zu schlechteren Menschen, sondern bedeutet einfach, dass wir teilweise nicht kompatibel sind.

Die innere Stärke wecken

Doch dieser Ansatz scheint uns wenig zu schmecken. Die meisten Menschen benehmen sich lieber so, als wäre Ihnen ihr Leben aufgeschweisst worden und sie müssten nun als Opfer unveränderbarer Umstände damit herumlaufen. Auch ich brauche noch einige Zeit, um mich an das neue Leben zu gewöhnen. Ein Leben, in dem ich mich nicht mehr ständig selber unter Druck setze und keine Angst mehr habe, etwas zu verpassen. Während Kollegen beim gemeinsamen Bier über ihren mörderischen Stress und unmögliche Kunden klagen, berichte ich zunehmend entspannter von meinen Gipfelerlebnissen beim Bergwandern oder von Biketouren, den beglückenden Momenten mit meiner Partnerin und der Entwicklung meiner neuen Lebensperspektive. Es ist meine Wahl und damit meine bewusste Verantwortung.

Übrigens arbeite ich noch immer viel. Allerdings habe ich mein bestens bestücktes Kompetenzprofil kritisch reflektiert und eine nicht verhandelbare Kondition entwickelt: Ich übernehme nur noch das, was mir ein gefühltes Anliegen ist.

Artikel im 20 Minuten

Autor: Reto Vacchelli | Kommentare/Feedbacks an: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

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